Wem gehört der Platz am Kaisersteg?

An einem Tag Mitte des Jahres 2017 besuchte mich Frau Auer aus Oberschöneweide und erzählte mir von ihrem Vorhaben, eine Initiative zur Umgestaltung des Platzes am Kaisersteg zu gründen. Ein Politischer Marktplatz solle es werden, so ihre Worte. Wir sprachen über Oberschöneweide und redeten über die Akteure, mit denen ich in meiner bisherigen Abgeordnetentätigkeit im Berliner Landesparlament zu tun hatte: Der Industriesalon Schöneweide, die Initiative Offenes Ufer in Schöneweide, das Regionalmanagement Schöneweide, die Hasselwerder Villa auf der gegenüberliegenden Uferseite als Kreativstandort, die Reinbeckhallen und die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW).

Für mich hatte ihr Anliegen einen relevanten Kern: Die stadträumliche Anbindung des Platzes inmitten des Industriegürtels, der Ober- und Niederschöneweide und die dort wohnende Bevölkerung nicht nur voneinander trennt, sondern auch nach wie vor einen Wasserzugang buchstäblich verbaut, womit auch ich als Stadtentwicklungspolitikerin beschäftigt bin.

Oberschöneweide ist nicht mein Wahlkreis und dennoch habe ich das Gebiet zwischen Wilhelminenhofstraße, S-Bahnhof und Spree als eines meiner stadtentwicklungspolitischen Arbeitsvorhaben identifiziert; hier will ich mich für eine stadtverträgliche und lebenswerte Entwicklung einsetzen.

Warum? Weil ich erstens selber aus einer Industriestadt im Osten Deutschlands komme und mich die Entwicklungsmöglichkeiten dieser vormals so wichtigen Industriestandorte, die plötzlich brach fielen und doch so viel Raum für Ideen und Entwicklung boten, seit meiner Kindheit faszinieren.

Seit mehr als zehn Jahren beschäftige ich mich mit Stadtentwicklungspolitik, und seit ich mich fachlich damit befasse spielt das Thema Spekulation mit Grundstücken und die dadurch meist verbaute Stadtentwicklung eine wichtige Rolle. Egal wo man hinschaut, immer geht es um Rentabilität und Renditeperspektiven Privater.

So ist das im Kapitalismus und so ist das auch in Oberschöneweide. Selbst ein nach wie vor ungesicherter Eröffnungstermin des BER bringt die Grundstückspreise in Dimensionen der Spekulation, dass allen schlecht werden kann und so „selbstverständlich“ kein Platz mehr für Anwohner*inneninteressen bleibt und Fragen nach lebenswerter Stadtentwicklung komplett abgehängt werden.

Ja, die Kapitalisierung der früheren Elektropolis hängt alle ab, die keine Investmentbanker sind oder welche kennen, und das ist sehr schlecht. Und ich meine, dass dies von den Menschen in Schöneweide auch gespürt wird, nicht nur bei den davongalloppierenden Mieten und der deshalb auch nicht zufällig zustande gekommenen Milieuschutzsatzung für besseren Bestands- und Mieter*innenschutz!

Die Vielfalt an Initiativen ist seit Jahren groß – Menschen engagieren sich um das historische Erbe des Industriestandortes und Aktive kümmern sich um das Geschichtsbewusstsein rings um den Industriesalon. Die Uferinitiative, die seit etlichen Jahren für einen offenen und durchgängigen Uferweg kämpft, beißt sich nach wie vor an Grundstückseigentumsfragen die Zähne aus und kämpft zäh weiter. Während HTW, etliche Private sowie das Regionalmanagement um den von Michael Müller seinerzeit als sogenannten „Zukunftsort“ für Berlin ausgerufenen Standort für die Ansiedlung von zukunftsfähigen Unternehmen kämpfen, kämpfen viele Künstler*innen inzwischen ums Überleben unter der Knute der stetig ins Unermessliche steigenden Mieten.

Es ist ein Kreuz! – möchte man schreien, wenn man sich die Zukunft der Menschen anschaut, die diesen Ort zu einem Zukunftsort machen und die mehr und mehr ohne Zukunft an diesem Standort sind. Kürzlich war ich mit dem Chefredakteur der Berliner Morgenpost und dem Regionalmanager Herrn Niemeyer in Schöneweide unterwegs auf eben diesen Spuren, die auch hier wieder Thema sind. Herausgekommen ist dabei ein lesenswerter Artikel von Joachim Fahrun: https://www.morgenpost.de/berlin/article213053297/Der-Immobilienboom-hat-das-Spreeknie-erreicht.html

Wegen all diesen Dingen lud ich diesen Januar den Staatssekretär Sebastian Scheel (LINKE) zu einem Vor-Ort-Besuch ein. Nachdem er mir auf eine schriftliche Anfrage an den Senat zur Situation des Platzes am Kaisersteg geantwortet hatte „Der Platz wird gut angenommen“, wollte ich mit ihm und einzelnen Akteuren vor Ort über den Platz und seine Probleme sprechen. Wohlwissend, dass die Probleme des Platzes nur ein Ausschnitt und allem voran ein Spiegel der gesamten Misere im spekulationsgetriebenen Umfeld ist. Zu dem Treffen lud ich ebenfalls Herrn Niemeyer vom Regionalmanagement ein, die Vertreter*innen der Uferinitiative, Frau Auer und die Initiative Politischer Marktplatz. Überraschend kam auch das Landschaftsarchitekturbüro hinzu, die damals die Platzplanung machten. Dass nämlich die Diskussion um den Platz so geführt wird, als ob die Platzgestaltung daran Schuld trage, dass der Platz „nicht funktioniert“ bzw. nicht angenommen wird, ist abstrus und bringt diejenigen in Verruf, die damals Planungen unter völlig anderen Voraussetzungen machten. Als das Gebiet rings um die Kabelwerke nämlich noch Sanierungsgebiet war und hier 19 Mio. € reinflossen, um es städtebaulich zu entwickeln, war beispielsweise ein offener Uferweg Voraussetzung. Auf dem noch immer verrottenden Gummiwerkgrundstück war ein Hotel geplant und die Reinbeckhallen sollten sich architektonisch zum Platz hin öffnen. Öffentliche Wiesen im Anschluss an die Ateliers der Reinbeckhallen sollten sich dem „Betonplatz“ entsprechend anschließen und zum Verweilen einladen.

Klar ist also: Schuld an der verkorksten Platzsituation sind nicht die Architekten! Dass diese spontan zu dem Treffen kamen war die große Überraschung des Nachmittags und es ist gut, dass nun alle wissen, wie die Planungsgrundlagen damals aussahen und dass vor allem die Planungsbehörden ihren Voraussagen nicht nachgekommen sind und die städtebauliche Situation in diesem Areal auch deshalb so ist wie sie ist. Daran etwas zu ändern, darum muss es mit Hilfe der Landespolitik nun gehen!

Die Probleme des Platzes, so meine These, bilden die Probleme im kompletten Umfeld ab. Eine städtebauliche Entwicklungsperspektive, die Schöneweide mit dem alten Industriegürtel verschmilzt und Lebensnähe für die Bewohner*innen an die Spree anbindet, ist dringend nötig, aber leider nicht in Sicht.

Eine lebensnahe Entwicklungsperspektive für Schöneweide, mit all den Großbaustellen die in den kommenden Jahren anstehen:  Brückenbauvorhaben, Bahnhofsumbau und Neubauvorhaben – zusammen mit den Menschen die hier zum Teil schon sehr lange Leben – muss gelingen und kann gelingen, wenn der Senat dieses Gebiet von außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung „an sich zieht“ und damit auch die städtebaulichen Instrumente zu einer Entwicklung aus „einem Guss“ hat. Wenn also der Senat die Idee des Zukunftsortes „vom Kopf auf die Füße“ stellt und mit den vielen aktiven Leuten vor Ort eine Perspektive entwickelt, die Vorhandenes bewahrt und entwickelt und Neues behutsam integrieren kann und dabei alte Baustellen (Offener Uferweg) endlich aus dem Weg räumt, dann wäre der Zukunftsort Schöneweide auch zukunftssicher. Der Markt jedenfalls wird es nicht regeln!

Hierzu organisiere ich Ende Februar eine Veranstaltung in Oberschöneweide zum Thema Entwicklungsperspektiven mit wichtigen Entscheider*innen und soviel kann vorweggenommen werden: Das Architekturbüro hat seine Teilnahme fest zugesagt. Fehlt nur noch der Termin!

Einen weiteren Artikel aus dem Abendblatt Berlin finden Sie hier.