Touristifizierung, Gewerbeverdrängung und Ausverkauf der Stadt – Hand in Hand!

Zum Protest der Gewerbetreibenden in der Oranienstraße

Der für Mittwoch, den 18.10.2017 angekündigte Protest der Gewerbetreibenden in der Oranienstraße gegen ihre Verdrängung macht deutlich: Mit der renditegetriebenen Inwertsetzung von Ladengeschäften und Gewerbeimmobilien und der Touristifizierung passiert eine soziokulturelle Homogenisierung und Verödung innerstädtischer Kieze auch durch die Verdrängung von ansässigem Gewerbe und damit muss endlich Schluss sein.

Das Sterben von Kleingewerbe durch Verdrängung erfordert aber nicht nur ein stadtentwicklungs-, sondern auch ein tourismuspolitisches Umdenken und Umsteuern: Die Ballermannisierung von Geschäftsstraßen ist nicht nur Folge steigender Mieten, sondern auch des unregulierten Tourismus.

Am kommenden Donnerstag, den 19.10.2017 bringen die Koalitionsfraktionen den Antrag zur Erarbeitung eines stadtverträglichen Tourismuskonzeptes in das Plenum des Abgeordnetenhauses ein und dies wird nur der Anfang einer ausführlich zu führenden Debatte sein. So müssen wir u.a. prüfen, ob nicht auch Bierbikes verboten und Genehmigungen von Hostels massiv eingeschränkt werden sollen. Erste Schritte können auf Bezirksebene unternommen werden: Eine weitere Ausbreitung von rein tourimusorientierter Gastronomie und Einzelhandel können – so wie in Amsterdam – mit entsprechender Vergabe von Gewerbezulassungen verhindert werden.

Die vielen Proteste für den Erhalt des lokalen Einzelhandels in Kreuzberg in jüngster Zeit zeigen:

Die Verdrängung von Gewerbe zerstört nicht nur Existenzen, sondern raubt auch Nachbarschaften notwendige soziale Einrichtungen, Nahversorgungsläden und ihre lokale Identität. So wird genau denjenigen ihr Recht auf die Stadt genommen, die die von Investoren heutzutage geschätzte Urbanität erst erschaffen haben.

Deshalb braucht es endlich einen wirksameren Kündigungsschutz, eine Beschränkung zulässiger Mieterhöhungen im Bestand und eine wirksame Mietpreisbremse auch im Gewerbemietrecht. Zusätzlich muss der Milieuschutz auch auf gewerbliche und soziale Einrichtungen ausgedehnt und eine Ausübung des kommunalen Vorkaufsrechts möglich gemacht werden.

Pressemitteilung von Katalin Gennburg (DIE LINKE) zum Anti-Hostel-Protest, Weserstraße 207

Pressemitteilung von Katalin Gennburg (DIE LINKE) zum Anti-Hostel-Protest, Weserstraße 207

Die Sprecherin für Stadtentwicklung, Tourismus und Smart City der Berliner Linksfraktion erklärt:

„Was Venedig die Kreuzfahrtschiffe sind, sind Berlin die Hostels – touristische Infrastrukturen, die Alltagsleben verdrängen und auf Kosten der städtischen Infrastruktur gehen. Spätis ersetzen Lebensmittelmärkte, fancy Klamottenshops ersetzen Textilreinigungsfirmen und Kneipenmeilen bilden die neuen Straßenfluchten europäischer Innenstädte.
Verlierer der Entwicklung sind nicht nur Anwohner*innen, sondern auch viele derjenigen, die im Tourismusgewerbe arbeiten, denn die meisten Arbeitsverhältnisse dort sind prekär und niedrig entlohnt – so kann es nicht weitergehen! Die von R2G im Koalitionsvertrag festgelegte Erarbeitung eines Konzeptes für stadtverträglichen Tourismus ist dringender denn je.

Barcelona beispielsweise hat jüngst ein Hotelzonenkonzept vorgelegt, wonach die Hoteldichte in den besonders touristifizierten Stadtteilen stark reguliert werden soll. Ähnliches wäre für Berlin auch denkbar.
Die Berliner Stadtentwicklung muss mehr denn je Handlungsmacht über die verfügbaren Flächen gewinnen, um die Stadt sozial und funktionsfähig planen zu können.

Die Touristifizierung der Berliner Kieze auf dem Rücken der Bewohner*innen entwickelt parallel zu neuen Besucher*innen- und Übernachtungsrekorden vielfältige Extreme: Inzwischen halten es die Betreiber*innen von Hostels offenbar nicht einmal mehr für notwendig, die nötigen Genehmigungen einzuholen, ehe sie neue Hostels eröffnen. Die Eröffnung eines weiteren Hostels ist für den ohnehin schon stark vom Partytourismus belasteten Weserkiez, in dem Verdrängung von Mieter*innen an der Tagesordnung ist, nicht hinnehmbar. Die fristlosen Kündigungen gegen die Bewohner*innen der Weserstraße 207 müssen sofort zurückgenommen werden!“

Beschluss zum Einheitsdenkmal: Repräsentative und autoritäre Hauptstadtplanung gegen die Berliner*innen und ein unvollendeter Geschichtsdiskurs

Pressemeldung von Katalin Gennburg, 15.2.2017

Zum Beschluss der CDU/CSU und SPD-Bundestagsfraktionen, das Einheitsdenkmal auf dem Schlossplatz in Berlin nach dem Entwurf von Johannes Milla zu realisieren, erklärt die Sprecherin für Stadtentwicklung, Tourismus und Smart City MdA Katalin Gennburg (LINKE):

Die Schlossfassade ist noch nicht bezahlt und nun stellt die Bundesregierung das nächste Millionenprojekt durch. Ganz gleich wie man den Entwurf der Wippe finden mag, einmal mehr betreibt der Bund eigenmächtig und ohne den Dialog mit Berliner Stadtgesellschaft, Senat und Abgeordnetenhaus zu suchen, Stadtentwicklungspolitik in Berlin und frönt dabei munter den repräsentativen Hauptstadtfantasien einer neoliberalen Großen Koalition. Dass diese autoritäre Art, Stadtentwicklungspolitik zu betreiben, erst vor fünf Monaten abgewählt wurde, interessiert die Regierenden rund um die Endstation der U55 scheinbar nicht.

Der Beschluss der Fraktionsvorsitzenden ignoriert nicht nur die öffentliche Debatte, die in Berlin über die Planungen zum Denkmal in den letzten Jahren geführt wurde, sondern auch unterschiedliche Sichtweisen auf die historischen Ereignisse, an die das Denkmal erinnern soll. Denn der demokratische Aufbruch in der ehemaligen DDR und die Etablierung der deutschen Einheit sind weder aufeinander zu reduzieren, noch ist das eine die logische Folge des anderen. Die im Entwurf des Denkmals angelegte Einengung auf die nationale Perspektive und die Überbetonung des Gemeinschaftlichen übertüncht nicht nur die innergesellschaftlichen Brüche und Konflikte, die beiden historischen Vorgängen zugrunde liegen, sondern leugnet auch deren europäische und internationale Dimension. Insofern ist die Widmung des Denkmals zweifelhaft und von einer bis heute einseitigen Sichtweise auf die DDR und ihr Ende gekennzeichnet. Falsch ist neben der Wahl des – zu frühen – Zeitpunkts für ein Einheitsdenkmal auch die Wahl des Ortes: Am Sockel des preußischen Nationaldenkmals, das seinerzeit einem autoritären Obrigkeitsstaat huldigte, der deutschen Einheit zu gedenken, ist in Zeiten wachsender rechtspopulistischer und rassistischer Tendenzen in unserer Gesellschaft und einer drohenden Aushöhlung demokratischer Freiheiten ein völlig falsches Signal. Selbiges gilt generell für die  Rekonstruktion wilhelminischer Bausubstanz im Kern Berlins, die nichts anderes ist als der Versuch, geschichtspolitische Diskurshoheit in Berlin auch städtebaulich zu manifestieren. Die explodierenden Kosten von mittlerweile rund 15 Millionen Euro für die „Einheitswippe“ sind ein weiterer guter Grund, die Sinnhaftigkeit des Denkmals in Zweifel zu ziehen. Zwar ist es begrüßenswert, dass der noch desaströsere Vorschlag einer Rekonstruktion der wilhelminischen Kolonnaden mittlerweile vom Tisch zu sein scheint. Das ist jedoch weder Grund zum Feiern, noch das Ende der geschichtspolitischen Debatte, an der sich auch DIE LINKE weiterhin beteiligen wird.

Ein Gespenst geht um in Berlin – Holm bleibt, so oder so!

Berlin, 16. Januar 2017: Presseerklärung der Sprecherin für
Stadtentwicklung, Tourismus und Smart City der Berliner Linksfraktion,
MdA Katalin Gennburg, zum Verbleib des Staatssekretärs Dr. Holm.

Auch nach Dr. Holms Rücktritt werden die Versuche von CDU, FDP und
Teilen der SPD, eine soziale Wohnraumversorgungspolitik zu verhindern,
scheitern.

Dass die SPD nach zahlreichen stadtpolitischen Niederlagen, allen voran
bei den jüngsten Volksentscheiden und dem Umgang mit diesen, nicht
verstanden hat, dass es hier nicht um Klientelpolitik, sondern um
Sozialpolitik geht, ist mindestens bemerkenswert.
Der einstige Stadtentwicklungssenator Müller versagt in dem zentralen
Politikfeld der Stadtregierung, dem politischen Umgang mit den Menschen
innerhalb und außerhalb des Parlaments.

Dieser Schachzug wird aber nicht darüber hinweg täuschen, dass die
Sozialdemokraten das Ressort für Wohnen und Stadtentwicklung zu recht
abgeben mussten. In diesem Lichte betrachtet wirkt Müllers Basta-Ansage
noch hilfloser – im Fahrwasser einer verlorenen Wahl und mit der
Baulobby an Bord des Tankers SPD.

Als Mitglied der Koalitionsverhandlungsgruppe Bauen und Wohnen habe ich
im vergangenen Herbst viele Stunden mit der SPD um eine soziale
Wohnungspolitik gerungen. Dass sich die Vorstellungen von Investoren
getriebenen Wohnungsneubauprogrammen fundamental von einer sozialen
Wohnraumversorgung, die in erster Linie auf Wohnraumrückgewinnung und
Stärkung der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften zielt,
unterscheiden war niemals unklar.

Durchsetzen konnte sich ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur staatlichen
Regulierung des Wohnungsmarktes mit dem Ziel einer sozialen
Wohnraumversorgung. Dazu gehört ein umfangreiches Bündel an
planungsrechtlichen Maßnahmen zur Steuerung ebenso wie das Ziel
öffentliches Eigentum für sozialpolitische Ziele einzusetzen und z.Bsp.
landeseigene für Wohnungsbau geeignete Grundstücke nur noch in Erbpacht
vergeben werden. Folgelogisch ging der entsprechende Senatsposten an
Katrin Lompscher.

Dieser Geist einer neuen Wohnungspolitik ist bei mir fachlich in hohem
Maße von meiner Zeit in der Stadtforschung geprägt. Dort habe ich linke
Stadt- und Raumtheorie gelesen und gelehrt. #holmbleibt ist auch deshalb
so erfolgreich, weil seine Forschungen nicht nur von etlichen
Studierenden gelesen und verstanden wurden. So finden sich heute viele
Informierte innerhalb und außerhalb des Parlamentes, die so wie ich die
fachliche Eignung des Staatssekretärs niemals anzweifeln würden. Dieser
Vorwurf ist haltlos und diese Stadt wird nicht Ruhe geben, weil Dr. Holm
als renommierter Forscher und anerkannter Stadtaktivist so viele
Menschen erreicht hat.

Dr. Holm war nicht Symbol, sondern Abbild eines Paradigmenwechsels in
der Berliner Wohnungspolitik, den die LINKE vorangetrieben hat. Ob die
SPD diesen Paradigmenwechsel trotz ihrer Einwilligung in den
Koalitionsvertrag nachvollzogen hat, wird u.a. auch mit der Berufung von
Engelbert Lüdke-Daldrupp zum Staatssekretär ohne festen Geschäftsbereich
unter Michael Müller fraglich. Wird hier der Versuch unternommen, sich
Zuständigkeiten im Bereich Stadtentwicklungspolitik zu sichern?
Die SPD muss jetzt beweisen, dass eine soziale Wohnungspolitik im
Verantwortungbereich der LINKEN mit ihr tatsächlich machbar ist und zwar
im Sinne der Mieterinnen und Mieter.